Der Amazonas
11. Juni 2019 (Eintrag Für 10. - 11. Juni)
Die Hitze war kaum auszuhalten – erst recht mit Gepäck vorne und hinten an meinem Körper. Ich versuchte den Anleger für das langsame Boot zu finden, aber hatte keinen Erfolg, also fragte ich einen Polizisten, der mir auf dem Weg entgegenkam. Wir hatten einige Schwierigkeiten zu kommunizieren (er dachte, ich suche die Migración, aber ich zeigte ihm meinen Reisepass, der schon gestempelt war und versuchte wieder zu erklären, dass ich das Boot suche), aber letztendlich hat er dann verstanden, was ich wollte und sagte ich solle mit ihm mitkommen. Er zeigte mir, wo ich ein kleines Boot anheuern müsse, um zum Großen zu kommen und er sagte mir auch, dass das langsame Boot erst am Abend um sieben ablegt. Ich dankte ihm und er schüttelte meine Hand bevor ich versuchte einen schattigen Platz zu finden, wo ich die nächsten fünf bis sieben Stunden verbringen würde.
Ich setzte mich in ein Restaurant, das eine Terrasse hatte, von der aus man den Sumpf sehen konnte, bestellte mir einen Saft (mit Milch) und fing an zu schreiben. Als ich damit fertig war meine bisherige Reise durch den Amazonas aufzuschreiben malte ich ein Selbstportrait und dann saß ich einfach da und genoss die Aussicht. Von wo ich saß konnte ich zwei langsame Boote sehen, die am Ufer angelegt hatten. Kurz nach Mittag fuhren beide los und für einen Moment war ich extrem besorgt, dass die Information, die ich erhalten hatte, falsch war und ich auf einem dieser beiden Boote hätte sein sollen. Bevor ich komplett in Panik verfallen konnte versuchte ich mich selbst zu beruhigen indem ich mir zuredete, dass sicherlich in ein paar Stunden das nächste Boot anlegen würde. Ich bestellte mir noch einen Saft (mit Milch) und genoss weiter den Ausblick (auch wenn ich ein wenig angespannt war).
Plötzlich wurde es richtig windig und ein paar Minuten später fing es an zu schütten als würde die Welt zu Ende gehen. Obwohl der Bereich wo ich saß überdacht war gab es keine Wände und ich musste alle meine Sachen – und mich – auf die andere Seite der Terrasse umplatzieren, da alles innerhalb 4 Metern wo das Dach aufhörte komplett durchnässt wurde. Es regnete für etwa eine Stunde bevor es – so plötzlich wie es anfing – wieder aufhörte. Während es geregnet hatte, konnte ich beobachten wie ein Boot am Anleger ankam. Ich fragte die Bedienung, ob es das Boot nach Iquitos sein, und nachdem ich eine positive Antwort bekam zahlte ich und machte mich auf den Weg zu den kleinen Booten. Es war erst 15:30 Uhr, aber ich wollte es nicht riskieren das Boot zu verpassen.
Für 3 Soles wurde ich zum langsamen Boot gebracht. Dort angekommen hing ich meine Hängematte auf dem Oberdeck in der Mitte des Boots und in der Mitte zweier Lampen auf, um sowohl Regen als auch Insekten so gut wie möglich zu meiden. Ich verbrachte die nächsten paar Stunden damit nichts zu tun, nach draußen zu starren und zu lesen. Irgendwann während dieser Zeit kam der Kapitän zu mir, um meine Daten aufzuschreiben. Ich lernte ein neues Wort („Geburtsdatum“), da das anscheinend schwer im Reisepass zu finden ist. Ein paar mehr Leute hingen ihre Hängematten auf dem Oberdeck auf, aber es war trotzdem noch relativ leer (erst recht im Vergleich mit dem eng bevölkerten Mitteldeck). Um 18:30 Uhr war es komplett dunkel geworden, um 19:30 Uhr legte das Boot endlich ab, und um 20 Uhr schlief ich tief und fest.
Ich wurde unsanft aufgeweckt, als um 21:30 die Lichter von drei Crew-Mitgliedern angemacht wurden, um die Bezahlung für die Fahrt einzukassieren. Es war ein wenig einschüchternd, da ich noch halb schlief und ich sie nicht wirklich verstehen konnte, aber sie waren nett und ehrlich. (Da ich den Preis falsch verstanden hatte, gab ich ihnen fälschlicherweise 100 Soles und sie gaben mir einen meiner Zwanziger zurück anstatt meine Hilflosigkeit auszunutzen.) Es fiel mir nicht leicht danach wieder einzuschlafen und ich wachte die ganze Nacht immer wieder auf bevor ich um 5 Uhr endgültig wach war. Frühstück wurde um 6:30 Uhr verteilt. Ich lehnte den angebotenen Kaffee ab (war es wirklich Kaffee? :P) und als Brot verteilt wurde, bot man mir keines an. Ich denke, ich werde morgen den Kaffee annehmen.
Es gibt nicht viel, was man auf einem Boot machen kann, also verbrachte ich den Morgen damit zu lesen, in meiner Hängematte vor mich hin zu dösen und ab und zu Fotos mit meinem Handy zu machen. Ich fühlte mich nicht wirklich wohl damit, meine Kamera herauszuholen, nachdem ich in den letzten Tagen deswegen so oft gewarnt wurde. Vielleicht finde ich irgendwann auf dieser Fahrt den Mut dazu. (Spoiler Warnung: Tu ich nicht.) Um 10:30 wurde das Mittagessen verteilt. Es war ein Teller mit Reis, Linsen und einem Stück Hühnchen. Es schmeckte mir sogar richtig gut, obwohl es eine sehr einfache Mahlzeit war.
Bei unserem nächsten großen Stopp um Mittag herum schwärmten Polizei und Einwanderungsbehörde das Boot. Sie überprüften die Ausweise und Taschen von jedem bevor wir weiterfahren durften. Die Beamten waren alle überraschend nett und der, der meine Tasche durchsuchte, half mir sogar meinen kleinen Rucksack wieder in das Plane-Cover zu packen, nachdem er ihn von dort herausgenommen hatte.
Eine Sache, über die ich vorher vergessen habe zu schreiben – die mich auch in der Karibik total schockierte – ist, dass es scheint, dass die Einheimischen sich überhaupt nicht um die Umwelt und Natur zu kümmern. Die Menge an Müll, die überall in der Karibik herumlag, ist abartig. Ich konnte dort – und hier – beobachten, wie die Ortsansässigen ihr eigenes Zuhause verschmutzen. Die Leute auf den Booten hier benutzen sehr viel Plastik und anstatt die Mülleimer an Bord zu benutzen schmeißen sie ihren Müll in den Fluss. Es ist schrecklich. Ich verstehe ja irgendwo noch Biomüll, aber alles andere macht mich sprachlos.